– Christian Hoffmann –

Mit dem PI Darunavir, dem NNRTI Etravirin, dem Integrasehemmer Raltegravir und dem Korezeptorantagonisten Maraviroc wurden in den letzten Jahren wichtige neue Substanzen zugelassen. Fast alle HIV-Patienten können nun wieder suffizient behandelt werden – darunter selbst jene, bei denen man angesichts multipler Resistenzen beinahe schon die Hoffnung aufgegeben hatte, das die Viruslast sich noch überhaupt jemals wieder unter die Nachweisgrenze würde drücken lassen. Ein „austherapiert“ gibt es nicht mehr. Doch trotz aller Fortschritte besteht weiterhin ein Bedarf an neuen Medikamenten. Und zwar nicht nur für die wenigen Patienten, bei denen auch die neuen Wirkstoffklassen nicht wirken, sondern grundsätzlich für alle Patienten. Eine HIV-Therapie ist nach dem jetzigen Stand lebenslang einzunehmen. Lebenslang bedeutet dabei jedoch nicht Monate oder Jahre, sondern Jahrzehnte – was erhebliche Probleme mit Compliance und Langzeittoxizitäten erwarten lässt. Deshalb ist jedes neue Medikament willkommen und wichtig. Die Auswahl muss weiter wachsen. Neue Medikamente müssen entwickelt werden, die weniger toxisch und einfacher einzunehmen sind. Um dem Fernziel Eradikation näher zu kommen, sollten sie möglichst potenter sein als die heutigen.

Es folgt – ohne Gewähr auf Vollständigkeit – eine Übersicht über die Substanzen, die nach dem heutigen Stand (April 2011) das meiste versprechen.

Neue Pharmakoenhancer (PKEs)

Viele antiretrovirale Medikamente, darunter fast alle PIs, aber auch einige neue Substanzen wie Vicriviroc oder Elvitegravir, müssen geboostert werden, um die Pharmakokinetik zu verbessern. Über viele Jahre war der PI Ritonavir bzw. die Norvir®-Kapseln die einzige verlässliche und erprobte Möglichkeit für eine solche „Boosterung“. Im Februar 2009 auf der CROI wurden erstmals neue, so genannte Pharmakoenhancer vorgestellt, die Ritonavir das Booster-Monopol in Zukunft streitig machen könnten. Vorteil dieser Substanzen, die das CYP3A-System inhibieren, könnte der Umstand sein, dass sie selbst keine HIV-Wirkung haben und somit keine PI-Resistenzen drohen. Über Langzeitnebenwirkungen und die Auswirkung einer solch irreversiblen Inhibition von Enzymsystemen ist freilich noch nichts bekannt.

Cobicistat (GS-9350) ist ein PKE der Firma Gilead, der in ersten klinischen PK-Studien ähnliche Booster-Effekte wie Ritonavir hatte (German 2009). In einer randomisierten Phase-II-Studie an 79 ART-naiven Patienten, die neben TDF+FTC noch Atazanavir erhielten, war der Effekt von Cobicistat mit dem von Ritonavir vergleichbar (Cohen 2011). Cobicistat wird auch in einer QUAD-Pille entwickelt, die die vier Gilead-Substanzen Tenofovir, FTC, den Integrasehemmer Elvitegravir und eben Cobicistat enthält. In einer ersten Phase II-Studie wurde die QUAD-Pille bei 71 therapienaiven Patienten doppelblind gegen Atripla® getestet, mit vergleichbarem Effekt nach 24 Wochen (Cohen 2011). Cobicistat scheint gut verträglich, allerdings gab es in der QUAD-Studie leichte Kreatinin-Erhöhungen – möglicherweise Ausdruck einer verringerten tubulären Kreatinin-Sekretion und somit kein Zeichen einer eingeschränkten Nierenfunktion. Allerdings könnten sich klinische Probleme in der Beurteilung der Kreatinin-Werte unter der QUAD-Pille ergeben, die ja auch das potentiell nephrotoxische Tenofovir enthält. Dennoch: Laut der bekanntlich in Sachen Nephrotoxizität erfahrenen Firma laufen weitere Studien.

SPI-452 ist ein PKE der Firma Sequoia, der selbst keine HIV-Wirkung hat (Gulnik 2009). In einer ersten klinischen Studie erhielten 58 gesunde Probanden verschiedene Dosen plus verschiedene PIs. Die Verträglichkeit war gut, die Spiegel von Darunavir (37-fach) und Atazanavir (13-fach) stiegen deutlich. Der Booster-Effekt hielt lange an. Sequioa will nun mit SPI-452 sowohl als Einzelsubstanz als auch in fixen Kombinationen weiter forschen. Auch der Einsatz mit HCV-Proteasehemmern soll geprüft werden. Die Website wirkt indes seltsam leblos, seit Februar 2009 keine Neuigkeiten mehr. Was ist da los?

PF-03716539 ist ein PKE der Firma Pfizer. Studien an gesunden Probanden zum Effekt dieses PKEs auf Midazolam, Maraviroc und Darunavir wurden im Oktober 2009 abgeschlossen, Ergebnisse sind noch nicht publiziert.

TMC-558445 von Tibotec Pharmaceuticals befindet sich derzeit in Phase-I-Studien, Ergebnisse liegen ebenfalls noch nicht vor.

Neue Formulierungen

Einige der derzeit bereits verfügbaren Substanzen werden weiter entwickelt. Wichtigste Ziele: Pillen reduzieren, Einnahme erleichtern. Mit Invirase 500®, Truvada®, Kivexa®, Atripla® und auch den neuen Norvir®-Tabletten sind bereits einige solcher Präparate auf den Markt. Weitere Verbesserungen sind in der Entwicklung.

Viramune® Extended-Release ist eine Verbesserung der herkömmlichen Nevirapin-Formulierung (Battegay 2009). Sie soll die einmal tägliche Gabe von Nevirapin in einer Tablette ermöglichen. Derzeit führt Boehringer dazu mehrere Studien durch. Ende 2010 wurden die ersten Daten der VERxVE-Studie vorgestellt, in der insgesamt 1.011 therapienaive Patienten zusätzlich zu TDF+FTC entweder klassisches oder neu formuliertes Nevirapin erhielten. Nach 48 Wochen waren im Einmal-Arm 81 % unter der Nachweisgrenze, verglichen mit 76 % im herkömmlichen Arm (Gathe 2010). Die Zulassung für Viramune retard® ist inzwischen beantragt, mit ihr wird noch in 2011 gerechnet.

Nelfinavir (Viracept®) 625 mg wurde im April 2003 in den USA zugelassen. Die neue Galenik reduziert die Nelfinavir-Tabletten auf 2 x 2 täglich und verringert gastrointestinale Nebenwirkungen – und das, obwohl die Plasmaspiegel um rund 30 % höher liegen als bei der herkömmlichen Nelfinavir-Galenik (Johnson 2003). In Europa, wo Nelfinavir von Roche statt von Pfizer hergestellt und verkauft wird, wird die 625 mg Tablette bis auf weiteres nicht erhältlich sein.

Zerit® PRC (PRC = „prolonged release capsule“ oder XR = „extended release“) ist eine verkapselte Formulierung von D4T (Baril 2002), die im Oktober 2002 in Europa zugelassen wurde, jedoch nie auf den Markt kam – D4T ist zu „out“. Stattdessen wird versucht, D4T durch Veränderungen der Molekülstruktur zu verbessern. Interessant scheint die Substanz OBP-601 der japanischen Firma Oncolys zu sein, die in vitro weniger toxisch als die Muttersubstanz D4T sein und obendrein ein eigenes Resistenzprofil haben soll (Weber 2008). Angeblich entwickelt sie BMS unter dem Namen Festinavir weiter.

Generika-Kombinationen sind gar nicht so schwer herzustellen, wie die Erfahrungen aus Afrika, Indien oder Thailand zeigen. Meist konnte die Bioequivalenz gezeigt werden (Laurent 2004, Marier 2007). In den Entwicklungsländern werden diese fixen Kombinationen (FDC, fixed drug combination) häufig eingesetzt, darunter vor allem D4T+3TC+Nevirapin, das es zum Beispiel als Triomune (Cipla), GPO-vir (GPO), Triviro LNS (Ranbaxy) oder Nevilast (Genixpharma) gibt. Aber auch AZT+3TC+Nevirapin gibt es inzwischen mehrfach als FDC: Duovir-N (Cipla) oder Zidovex-LN (Ranbaxy) sind nur einige Beispiele. Die Firmen haben sich natürlich meist über die Patentrechte hinweg gesetzt. In den Industrieländern spielen diese Präparate daher keine Rolle.

Literatur zu PKEs und neuen Formulierungen

Baril JG, Pollard RB, Raffi FM, et al. Stavudine extended/prolonged release (XR/PRC) vs. stavudine immediate release in combination with lamivudine and efavirenz: 48 week efficacy and safety. Abstract LbPeB9014, 14th Int AIDS Conf 2002, Barcelona.

Battegay ME, Arasteh K, Plettenb erg A. Assessment of the steady-state PK parameters of two extended release (XR) nevirapine (NVP) tablets 400 mg and 300 mg QD compared with immediate release (IR) NVP tablets 200 mg BID in HIV-1-infected patients – the ERVIR study. Abstract PE 4.1/2, 12th EACS 2009, Cologne.

Cai Y, Klein C, Roggatz U, et al. Bioequivalence of pilot tablet formulations of ritonavir to the marketed soft gel capsule at a dose of 100 mg. Abstract 52LB, 14th CROI 2007, Los Angeles.

Cohen C, Elion R, Ruane P, et al. Randomized, phase 2 evaluation of two single-tablet regimens elvitegravir/cobicistat/emtricitabine/tenofovir disoproxil fumarate versus efavirenz/emtricitabine/tenofovir disoproxil fumarate for the initial treatment of HIV infection. AIDS 2011, 25:F7-12.

Gathe J, Knecht G, Orrell C, et al. 48 week (Wk) efficacy, pharmacokinetics (PK) and safety of once a day (QD) 400 mg nevirapine (NVP) extended release formulation (XR) for treatment of antiretroviral (ARV) naive HIV-1 infected patients (Pts) [VERxVE]. Abstract H-1808, 50th ICAAC 2010, Boston.

German P, Warren D, West S, Hui J, Kearney BP. Pharmacokinetics and bioavailability of an integrase and novel pharmacoenhancer-containing single-tablet fixed-dose combination regimen for the treatment of HIV. J AIDS 2010, 55:323-9.

Gulnik S, Eissenstat M, Afonina E, et al. Preclinical and early clinical evaluation of SPI-452, a new pharmacokinetic enhancer. Abstract 41, 16th CROI 2009, Montréal.

Johnson M, Nieto-Cisneros L, Horban A, et al. Viracept (Nelfinavir) 625 mg film-coated tablets: investigation of safety and gastrointestinal tolerability of this new formulation in comparison with 250 mg film-coated tablets (Viracept) in HIV patients. Abstract 548, 2nd IAS 2003, Paris.

Klein CE, Chiu YL, Causemaker SK, et al. Lopinavir/ritonavir (LPV/r) 100/25 mg tablet developed for pediatric use: bioequivalence to the LPV/r 200/50 mg tablet at a dose of 400/100 mg and predicted dosing regimens in children Abstract P4.1/01, 11th EACS 2007, Madrid.

Laurent C, Kouanfack C, Koulla-Shiro S, et al. Effectiveness and safety of a generic fixed-dose combination of nevirapine, stavudine, and lamivudine in HIV-1-infected adults in Cameroon: open-label multicentre trial. Lancet 2004, 364:29-34.

Marier JF, Dimarco M, Guilbaud R, et al. Pharmacokinetics of lamivudine, zidovudine, and nevirapine administered as a fixed-dose combination formulation versus coadministration of the individual products. J Clin Pharmacol 2007;47:1381-9.

Ramanathan S, Warren D, Wei L, Kearney B. Pharmacokinetic boosting of atazanavir with the pharmacoenhancer GS-9350 versus ritonavir.  Abstract A1-1301/34, 49th ICAAC 2009, San Francisco.

Weber J, Weberova J, Vazquez A, et al. Drug susceptibility profile of OBP-601, a novel NRTI, using a comprehensive panel of NRTI- or NNRTI-resistant viruses. Abstract 726b, 15th CROI 2008, Boston

Neue Nukleosidanaloga (NRTIs)

Nach dem Ende von Dexelvucitabine 2006 gibt es kaum noch NRTIs mit realistischen Chancen – es scheint schwierig zu sein, NRTIs zu finden, die bei fehlender mitochondrialer Toxizität eine gute Wirkung gegen resistente Viren haben. Es scheint unwahrscheinlich, dass es jemals eine der hier aufgezählten Substanzen auf den Markt schaffen wird. Viele sind bereits in der Versenkung verschwunden.

Amdoxovir (DAPD) ist ein Guanosin-Analogon, das in vivo zu dem hochwirksamen DXG umgewandelt wird und eine gute Wirksamkeit gegen AZT/3TC-resistente Viren und gegen HBV hat (Corbett 2001). Nach Veränderungen an den Augenlinsen bei Patienten unter DAPD (Thompson 2003) zog Gilead Anfang 2004 den Lizenzvertrag mit zwei US-Universitäten zurück. So ganz ist DAPD möglicherweise aber noch nicht aus dem Rennen – an den Unis forscht man, von der US-Firma RFS Pharma aus Georgia unterstützt, weiter: dort wird DAPD mit AZT kombiniert, um die distinkten Resistenzprofile zu nutzen. In einer ersten doppelblind randomisierten Studie an 24 Patienten sank die Viruslast unter 500 mg DAPD + 200 mg AZT BID um beeindruckende 1,97 Logstufen nach 10 Tagen. Offenbar bestehen synergistische Effekte (Murphy 2010), die nicht durch Interaktionen erklärbar sind (Hurwitz 2010). Die entscheidende Frage wird sein, ob man die Toxizitätsprobleme von DAPD in den Griff bekommt. Phase II-Studien laufen.

Apricitabine (ATC, AVX-754, früher SPD-754) ist ein heterozyklisches Cytidin-Analogon, das 2005 von Shire Biochem an die australische Firma Avexa verkauft wurde. In vitro behält ATC, das chemisch 3TC ähnelt,  seine Wirksamkeit gegenüber einem breiten Spektrum von TAMs. Bis zu 5 NRTI-Mutationen können die Effektivität nicht wesentlich beeinträchtigen (Gu 2006), allerdings sinkt die Empfindlichkeit bei Viren mit der K65R Mutation (Frankel 2007). In einer plazebokontrollierten Studie sank die Viruslast unter zehntägiger Monotherapie um 1,2-1,4 Logstufen – für ein NRTI eine gute Wirkung (Cahn 2006). Bei 50 Patienten mit der M184V Mutation waren es nach drei Wochen unter 600-800 mg ATC noch 0,7-0,9 Logstufen (Cahn 2010). Resistenzen wurden nach 48 Wochen nicht gesehen und auch in vitro nicht selektioniert (Oliveira 2009). ATC wurde gut vertragen, am häufigsten scheinen Cephalgien und Rhinitis zu sein (Gaffney 2009). Was ist mit Langzeittoxizitäten? In Affen zeigten sich nach 52 Wochen geringe Hautprobleme, meist eine Hyperpigmentation. ATC war damit wesentlich geringer toxisch als sein Razemat BCH-10652, unter dem Affen an einer schweren, degenerativen Dermatopathie erkrankten (Locas 2004). Durch 3TC und FTC sinken die intrazellulären Spiegel von ATC, die Kombination mit anderen Cytidin-Analoga ist daher problematisch. Im Mai 2010 scheiterten Verhandlungen mit großen Pharmafirmen, so dass die Weiterentwicklung vorerst gestoppt wurde – eine Zukunft ist fraglich.

Dioxolanthymin (DOT) ist ein neues Thymidin-Analogon  – in dieser Untergruppe eine der wenigen Newcomer. Präklinisch sah DOT, das chemisch DAPD ähnelt, relativ gut aus (Chung 2005, Liang 2006). Derzeit forscht man an Prodrugs, klinische Studien lassen auf sich warten (Liang 2009).

EFdA oder 4′-ethynyl-2-fluoro-deoxyadenosine scheint Tierversuchen an Affen zufolge scheint es einer der effektivsten NRTIs aller Zeiten zu sein. Die SIV-Viruslast sank nach 7 Tagen um 2-3 Logstufen (Parniak 2009). Offenbar wird die Substanz als potentielles Mikrobizid evaluiert.

Elvucitabine (oder ACH-126,443) ist ein Cytidinanalogon von Achillion Pharmaceuticals. Es ist ein Enantiomer von Dexelvucitabine (Reverset) und gegen HIV und HBV wirksam. In vitro bleibt es bei zahlreichen NRTI-Resistenzen effektiv (Fabrycki 2003). Interessant ist die lange Halbwertszeit von 150 Stunden (Colucci 2005). Bei HIV-Patienten mit der M184V-Mutation zeigte sich in einer kleinen, doppelblinden Studie ein Abfall der Viruslast um 0,7-0,8 Logstufen nach 28 Tagen. Die Studie wurde allerdings abgebrochen, da unter 100 mg Elvucitabine bei 6/56 Patienten Leukopenien und wohl auch Hautausschläge auftraten (Dunkle 2003). Pankreatitiden wie unter Dexelvucitabine wurden dagegen nicht beobachtet. In vitro ist die mitochondriale Toxizität geringer als unter Dexelvucitabine, allerdings wohl auch die Bindungsaffinität zur Reversen Transkriptase resistenter Viren (Murakami 2004). Geht also die bessere Verträglichkeit auf Kosten der Wirkung? In einer kleinen Phase II-Studie an 77 therapienaiven Patienten (mit Efavirenz und Tenofovir) war Elvucitabine über 96 Wochen in etwa vergleichbar mit 3TC (DeJesus 2010). Probleme scheint es hinsichtlich Interaktionen mit Ritonavir zu geben, eine Inhibierung von Drug-Transporter-Systemen scheint wahrscheinlich (Colucci 2009).

Fosalvudine ist ein NRTI der Firma Heidelberg Pharma, der aus einer an ein Trägermolekül gekoppelten Zwischenstufe (= „Enhanced Pro-Drug-Prinzip“) des Fluorothymidins Alovudine besteht. Erst nach enzymatischer Spaltung im Gewebe wird der aktive Teil freigesetzt. Man hofft, dass die bei Fluorothymidinen üblichen Toxizitäten so reduziert werden. In einer Phase II-Studie an 43 therapienaiven HIV-Patienten wurde Fosalvudine gut vertragen, nach zwei Wochen Monotherapie mit 5-40 mg sank die Viruslast um bis zu 1,0 Logstufen (Cahn 2007). Studien zu vorbehandelten Patienten sind wohl in Russland und Argentinien im Gange. Untersuchungen an Ratten weisen allerdings auf eine beachtliche mitochondriale Toxizität hin (Venhoff 2009). Weiterentwicklung fraglich.

Fozivudine ist ein ebenfalls nach dem „Enhanced Pro-Drug-Prinzip“ von Heidelberg Pharma entwickeltes AZT. In Phase-I/II-Studien (Bogner 1997, Girard 2000) war Fozivudine gut verträglich, allerdings nur moderat wirksam – nach 4 Wochen wurde ein Viruslastabfall in der höchsten Dosis von knapp 0,7 Logstufen erreicht (Girard 2000). Der Firmenwebseite zufolge ist man seit 2005 auf Partnersuche, um neue Studien angehen zu können. Seither herrscht Funkstille – so recht scheint sich bislang niemand für ein neues AZT begeistern zu können.

GS-7340 ist eine Weiterentwicklung von Tenofovir, durch die sich wohl höhere Tenofovir-Konzentration in peripheren Blutzellen erreichen lassen. GS-7340 wurde in verschiedenen Dosen bei 30 HIV-Patienten gegen Tenofovir getestet. Nach 2 Wochen war die Viruslast um bis zu 1,71 Logstufen versus 0,94 abgesunken. Mit einer besseren Wirksamkeit bei insgesamt niedrigerer systemischer Tenofovir-Exposition scheint hier ein viel versprechendes Tenofovir-Backup zu entstehen (Markowitz 2011). Angesichts des Erfolgs von Tenofovir dürfte die Firma allerdings keine Eile haben, zu schnell eine Konkurrenz aufzubauen.

Phosphazid (Nicavir) ist ein in Russland entwickelter (und seit 1999 dort zugelassener) NRTI, der AZT sehr ähnelt (Skoblov 2003). Nach 12 Wochen Monotherapie mit 400 mg sank die Viruslast um 0,7 Logstufen. Da Phosphazid eine Prodrug von AZT ist, ist ein zusätzlicher Aktivierungsschritt nötig. Die D67N-Mutation scheint die Wirksamkeit zu reduzieren (Machado 1999). Weitere Studien zeigten die Wirksamkeit in Kombination mit DDI und Nevirapin (Kravtchenko 2000) bzw. Saquinavir (Sitdykova 2003). Es fällt allerdings schwer, einen Vorteil gegenüber AZT zu entdecken – eine vermutete bessere Verträglichkeit ist bislang nicht erwiesen.

Racivir ist ein Cytidin-Analogon der Firma Pharmasset und eine Mischung aus FTC und seinem Enantiomer. Für beide Enantiomere gibt es evtl. unterschiedliche Resistenzpfade, wodurch theoretisch die Resistenzbildung erschwert sein könnte (Hurwitz 2005). Kombiniert mit D4T und Efavirenz zeigte sich ein guter Effekt nach zwei Wochen (Herzmann 2005). In einer doppelblind randomisierten Studie an 42 Patienten mit der M184V-Mutation sank die Viruslast nach 28 Tagen um 0,4 Logstufen (Cahn 2007). In den letzten Jahren war nichts Neues zu hören. Große Firmen, die Racivir weiter entwickeln könnten, haben offenbar kein Interesse.

Stampidin ist ein Nukleosidanalogon, das von der amerikanischen Firma Parker Hughes Institute entwickelt wurde. Es ähnelt D4T und soll in vitro angeblich rund 100-fach effektiver sein als AZT (Uckun 2002). Zusätzlich besteht eine Wirksamkeit gegen HIV-Mutanten mit bis zu 5 TAMs (Uckun 2006). Auch als potentielles Mikrobizid käme es möglicherweise in Frage (D’Cruz 2004). Studien an HIV-Patienten sind schon länger angekündigt, Daten stehen noch aus.

Aus den Augen, aus dem Sinn – folgende NRTIs werden nicht weiter entwickelt:

  • Adefovir dipivoxil von Gilead, kaum Wirkung gegen HIV, Nephrotoxizität
  • Dexelvucitabine (Reverset) von Incyte, 2006, Pankreatitiden, inzwischen überlegt die Firma Pharmasset, ob es vielleicht doch weitergehen soll
  • dOTC von Biochem Pharma, Toxizität in Affen
  • FddA (Lodenosin®) von Bioscience, 1999, Leber/Nierenschäden
  • KP-1461 von Koronis Pharmaceuticals, Juni 2008, wegen Wirkungslosigkeit
  • Lobucavir von BMS, Kanzerogenität
  • MIV-210 von Medivir/Tibotec, Einstellung im Oktober 2007, wird jetzt als HBV-Medikament getestet
  • MIV-310 (Alovudin, FLT) von Boehringer, März 2005, enttäuschende Phase-II-Studie
  • SPD-756 (BCH-13520) und SPD-761

Neue NNRTIs

Mit Etravirin hat es 2008 nach rund 10 Jahren endlich wieder ein NNRTI auf den Markt geschafft. Beflügelt durch diesen Erfolg, scheint sich die Pharmaindustrie wieder mehr mit NNRTIs zu beschäftigen.

Rilpivirin (TMC 278) ist aktuell der am weitesten entwickelte NNRTI. Die Substanz ist wie Etravirin ein DAPY-NNRTI (Janssen 2005). Rilpivirin wirkt gegen die meisten NNRTI-resistenten Viren. Eine Phase IIa-Studie an therapienaiven Patienten ergab einen mittleren Abfall der Viruslast nach 7 Tagen Monotherapie von 1,2 Logstufen – allerdings zeigte sich zwischen 25 und 150 mg keine dosisabhängige Wirkung (Goebel 2005). Wesentlicher Vorteil von Rilpivirin ist die lange Halbwertszeit von 40 Stunden. Kombiniert mit Lopinavir, steigen die Spiegel deutlich (Hoetelmans 2005), es werden Dosisanpassungen notwendig werden. Bei einem Wechsel von Efavirenz auf Rilpivirin zeigten sich allerdings anfangs niedrige Spiegel, deren Relevanz noch unklar ist (Crauwels 2011).

In einer offen randomisierten Phase IIb–Studie war die Wirkung mit der von Efavirenz nach 96 Wochen vergleichbar, bei allerdings deutlich weniger ZNS-Nebenwirkungen und Lipiderhöhungen (Pozniak 2010). Die 25 mg-Dosis wird derzeit in zwei doppelblind-randomisierten Phase III-Studien (ECHO und THRIVE) gegen Efavirenz bei 1.368 therapienaiven Patienten getestet. Nach 48 Wochen zeigte sich eine vergleichbare Wirksamkeit bei insgesamt sogar besserer Verträglichkeit (Cohen 2010). Resistenzen bzw. virologisches Versagen wurde allerdings unter Rilpivirin häufiger beobachtet (9,0 versus 4,8 %).

Die anfänglich beobachtete QT-Verlängerung unter Rilpivirin scheint nicht relevant zu sein (Vanveggel 2009), auch das Risiko einer Teratogenität ist gering (DEsmidt 2009). Interessant ist auch eine parenterale Nanosuspension, bei der mittels monatlicher Injektionen Rilpivirin-Spiegel erreicht werden, die denen der täglichen Gabe von 25 mg entsprechen (Verloes 2008). Rilpivirin wird derzeit auch im Rahmen von Kombinationspräparaten (zusammen mit TDF+FTC) gegen Efavirenz getestet.

GSK-2248761 (GSK 761, früher IDX-899) ist ein neuer NNRTI von ViiV. Das Resistenzprofil hat in vitro keine Überlappung mit Efavirenz (Richman 2008). In vivo sank die Viruslast nach 8 Tagen um 1,8 Logstufen (Zala 2008). Die Halbwertzeit ist lang (Zhou 2009). Anfang 2011 stoppte die FDA zumindest vorläufig die laufenden klinischen Studien, nach dem zerebrale Krampfanfälle beobachtet worden waren. Trotz der Beteuerungen von ViiV, dass dies noch nicht das Ende wäre: Weiterentwicklung mehr als fraglich.

Lersivirin (UK 453,061) ist auch ein neuer NNRTI von ViiV Healthcare mit guter Wirkung gegen klassische NNRTI-Resistenzen (Corbeau 2010). Gesunde Probanden vertrugen die Substanz über 28 Tage gut (Davis 2010). Bei HIV-Patienten wurde unter 10-750 mg nach 7 Tagen Monotherapie ein Viruslastabfall von bis zu 2,0 Logstufen beobachtet (Fätkenheuer 2009).

RDEA806 ist ein NNRTI von Ardea Bioscience. Die Resistenzbarriere soll hoch, das Interaktionspotential gering sein (Hamatake 2007). Monotherapie-Studien an HIV-Patienten zeigten einen Abfall über 1,8 Logstufen nach 7 Tagen, bei guter Verträglichkeit (Moyle 2010). Die Daten scheinen immerhin so vielversprechend genug, dass es Phase IIb-Studien geben soll. Allerdings: Die Website der Firma ist verdächtig leer zu dem Thema…

Das große NNRTI-Sterben – NNRTIs, deren Entwicklung eingestellt wurde:

  • Atevirdine – Upjohn konzentrierte sich auf Delavirdin (ob das klug war?)
  • BIRL355 BS – von Boehringer, in 2007 Probleme mit Metaboliten
  • Calanolide A von Sarawak, wohl zu schwach wirksam
  • Capravirin (AG1549) von Pfizer, zu schwach
  • DPC 083 (BMS-561390), Mai 2003, schlechte PK/Sicherheitsdaten
  • DPC 961 – Selbstmordgedanken der Probanden, DPC 963
  • Emivirin (MKC-442, Coactinon) – von Triangle, zu schwach (Me-too)
  • GW420867X,  GSK, klassisches Me-too-Präparat
  • GW8248 und GW5624, GSK, u.a. zu schlechte Bioverfügbarkeit
  • HBY-097,  Hoechst-Bayer, ungünstige Nebenwirkungen
  • Loviride,  Janssen Pharmaceuticals, zu schwach in der CAESAR-Studie
  • MIV-150, Medivir/Chiron, schlecht bioverfügbar, w. als Mikrobizid entwickelt
  • PNU 142721, Pharmacia & Upjohn, Efavirenz zu ähnlich (Me-too)
  • TMC 120 (Dapivirin), Tibotec, schlecht oral verfügbar

Literatur zu neuen NNRTIs

Cohen C, Molina JM, Cahn P et al. Pooled week 48 efficacy and safety results from ECHO and THRIVE, two double-blind, randomised phase III trials comparing TMC278 versus efavirenz in treatment-naïve HIV-1-infected patients. Abstract THLBB206, 18th IAC 2010, Vienna.

Corbau R, Mori J, Phillips C, et al. Lersivirine, a nonnucleoside reverse transcriptase inhibitor with activity against drug-resistant human immunodeficiency virus type 1. Antimicrob Agents Chemother 2010, 54:4451-63.

Crauwels H, Vingerhoets J, Ryan R. Pharmacokinetic parameters of once-daily TMC278 following administration of EFV in healthy volunteers. Abstract 630, 18th CROI 2011, Boston.

Davis J, Hackman F, Ndongo MN, et al. Safety and tolerability of lersivirine, a nonnucleoside reverse transcriptase inhibitor, during a 28-day, randomized, placebo-controlled, Phase I clinical study in healthy male volunteers. Clin Ther 2010, 32:1889-95.

Desmidt M, Willems B, Dom P, et al. Absence of a teratogenic potential from a novel next-generation NNRTI, TMC278. Abstract PE7.1/4, 12th EACS 2009, Cologne.

Fätkenheuer G, Staszewski S, Plettenberg A, et al. Activity, pharmacokinetics and safety of lersivirine (UK-453,061), a next-generation nonnucleoside reverse transcriptase inhibitor, during 7-day monotherapy in HIV-1-infected patients. AIDS 2009, 23:2115-22..

Goebel F, Yakovlev A, Pozniak A, et al. TMC278: Potent anti-HIV activity in ART-naive patients. Abstract 160, 12th CROI 2005, Boston.

Hamatake R, Zhang Z, Xu W, et al. RDEA806, a potent NNRTI with a high genetic barrier to resistance. Abstract 1662, 47th ICAAC 2007, Chicago.

Hoetelmans R, van Heeswijk R, Kestens D, et al. Pharmacokinetic interaction between TMC278, an investigational non-nucleoside reverse transcriptase inhibitor (NNRTI), and lopinavir/ritonavir (LPV/r) in healthy volunteers. Abstract PE4.3/1, 10th EACS 2005, Dublin.

Janssen PA, Lewi PJ, Arnold E, et al. In search of a novel anti-HIV drug: multidisciplinary coordination in the discovery of 4-[[4-[[4-[(1E)-2-cyanoethenyl]-2,6-dimethylphenyl]amino]-2- pyrimidinyl]amino]benzonitrile (R278474, rilpivirine). J Med Chem 2005, 48:1901-9.

Moyle G, Boffito M, Stoehr A, et al. Phase 2a randomized controlled trial of short-term activity, safety, and pharmacokinetics of a novel nonnucleoside reverse transcriptase inhibitor, RDEA806, in HIV-1-positive, antiretroviral-naive subjects. Antimicrob Agents Chemother 2010, 54:3170-8.

Pozniak AL, Morales-Ramirez J, Katabira E, et al. Efficacy and safety of TMC278 in antiretroviral-naive HIV-1 patients: week 96 results of a phase IIb randomized trial. AIDS 2010, 24:55-65.

Richman D, Jakubik J, Chapron C, et al. Genotypic resistance and phenotypic cross-resistance profile in vitro for a novel NNRTI: IDX899. Abstract 729, 15th CROI 2008, Boston.

Vanveggel S, Buelens A, Crauwels H, et al. TMC278 25mg QD has no effect on corrected QT interval in a study in HIV-negative volunteers. Abstract PE7.1/2, 12th EACS 2009, Cologne.

Verloes R, van’t Klooster G, Baert L, et al. TMC278 long acting – a parenteral nanosuspension formulation that provides sustained clinically relevant plasma concentrations in HIV-negative volunteers. Abstract TUPE0042, 17th IAC 2008, Mexico City.

Zala C, Murphy R, Zhou XJ, et al. IDX899, a novel HIV-1 NNRTI with high barrier to resistance, provides suppression of HIV viral load in treatment-naive HIV-1-infected subjects. Abstract THAB0402, XVII IAC 2008, Mexico City.

Zhou XJ, Pietropaolo K, Damphousse D, et al. Single-dose escalation and multiple-dose safety, tolerability, and pharmacokinetics of IDX899, a candidate human immunodeficiency virus type 1 nonnucleoside reverse transcriptase inhibitor, in healthy subjects. Antimicrob Agents Chemother 2009, 53:1739-46.

Neue Proteasehemmer

Auch bei den PIs blieben zuletzt viele auf der Strecke. Nach der Zulassung von Darunavir ist wohl mittelfristig nicht viel zu erwarten: die Anforderungen sind angesichts der großen Konkurrenz immens geworden (Review: Pokorná 2009).

DG17 ist die Prodrug von DG35 und bereits seit längerem in klinischer Testung. Nachdem lange nichts zu hören war, scheint eine neuere Studie, die einen deutlichen Booster-Effekt durch Ritonavir und damit eine deutliche PK-Verbesserung zeigte, die Weiterentwicklung zu beleben (Cherry 2008).

PL-100 (MK8122) ist ein PI der kanadischen Firma Ambrilia Biopharma, die inzwischen mit Merck kooperiert. Die Prodrug PPL-100 wird zur aktiven Substanz PL-100 metabolisiert, welche bei einer hohen genetischen Barriere gegen PI-multiresistente Viren wirken soll (Dandache 2007). Die an gesunden Probanden gewonnenen PK-Daten sehen gut aus, auch die lange Halbwertszeit von 30-37 Stunden macht die Substanz interessant. 2008 wurde die klinische Weiterentwicklung unterbrochen, man will sich bei Merck Prodrugs widmen.

SM-309515 von Sumitomo Pharmaceuticals soll sich in Phase I-Studien befinden. Vorläufersubstanzen war die kurze Halbwertszeit zum Verhängnis geworden (Mimoto 2008). Die Wirksamkeit blieb gegen Mutationen wie S37N, I47V, R57K und I84V erhalten. Am Menschen wird angeblich eine Ritonavir-Boosterung getestet.

SPI-256 von Sequioa Pharmaceuticals bleibt in vitro gegen PI-resistente Virusisolate wirksam (Gulnik 2006). Gesunde Probanden vertrugen es wohl gut.

TMC-310911 ist ein neuer PI von Tibotec. Er wird derzeit zusammen mit dem Booster-Medikament TMC-558445 in Phase I-Studien untersucht. Daten liegen noch nicht vor.

Aus den Augen aus dem Sinn – PIs, deren Entwicklung eingestellt wurde:

  • AG-001859 – von Pfizer
  • Brecanavir – von GSK Ende 2006 wegen schlechter PK-Daten gestoppt
  • DPC 684/DPC 681 – geringe therapeutische Breite
  • GS 9005 (früher GS 4338) – von Gilead
  • JE-2147 (AG1776, KNI-764) – von Pfizer, seit 1999 nichts Neues
  • KNI-272 (Kynostatin) – ungünstige PK-Daten
  • Mozenavir (DMP-450) – von Gilead, Me too (keine Vorteile erkennbar)
  • RO033-4649 – von Roche, Saquinavir wohl zu ähnlich
  • SC-52151 und SC-55389A – schlechte Bioverfügbarkeit
  • TMC-126 – Tibotec konzentrierte sich seinerzeit auf Darunavir

Literatur zu neuen PIs

Cherry CL, Hoy JF, Rowe JS, Krum H, Mills J, Lewin SR. Phase 1 single dose studies to optimize the pharmacokinetics of DG17, a novel HIV-protease inhibitor pro-drug, using sodium bicarbonate and ritonavir. Curr HIV Res 2008, 6:272-5.

Dandache S, Sevigny G, Yelle J, et al. In vitro antiviral activity and cross-resistance profile of PL-100, a novel protease inhibitor of human immunodeficiency virus type 1. Antimicrob Agents Chemother 2007;51:4036-43.

Gulnik S, Afonina E, Eissenstat M, Parkin N, Japour A, Erickson J. SPI-256, a highly potent HIV protease inhibitor with broad activity against MDR strains. Abstract 501, 13th CROI 2006, Denver.

Hammond J, Jackson L, Graham J, et al. Antiviral activity and resistance profile of AG-001859, a novel HIV-1 protease inhibitor with potent activity against protease inhibitor-resistant strains of HIV. Antiviral Therapy 2004; 9:S17

Mimoto T, Nojima S, Terashima K. Structure-activity relationships of novel HIV-1 protease inhibitors containing the 3-amino-2-chlorobenzoyl-allophenylnorstatine structure. Bioorg Med Chem 2008, 16:1299-308.

Pokorná J, Machala L, Řezáčová P Konvalinka J. Current and Novel Inhibitors of HIV Protease. Viruses 2009, 1:1209-1239. http://www.mdpi.com/1999-4915/1/3/1209/htm

Wu JJ, Stranix B, Milot G, et al. PL-100, a next generation protease inhibitor against drug-resistant HIV: in vitro and in vivo metabolism. Abstract H-253, 46th ICAAC 2006, San Francisco.

Neue Entry-Inhibitoren

Bei dem Eintritt von HIV in die CD4-Zelle gibt es drei Schlüssel-Stellen:

  1. Die Bindung von HIV über das Hüllprotein gp120 an den CD4-Rezeptor („Attachment“ – Ansatzpunkt der Attachment-Inhibitoren)
  2. Die Bindung an Korezeptoren (Angriff der Korezeptor-Antagonisten) durch Konformationsänderungen und schließlich
  3. Die Fusion von Virus und Zelle (Angriff der Fusionsinhibitoren)

Attachment-Inhibitoren, Korezeptorantagonisten und Fusionsinhibitoren werden zum jetzigen Zeitpunkt, obwohl sehr heterogen, als Entry-Inhibitoren zusammengefasst. Mit Maraviroc und T-20 sind aktuell zwei Entry-Inhibitoren zugelassen (siehe dazu das vorherige Kapitel). Klar scheint schon jetzt, dass sich mit dieser Gruppe faszinierende neue Möglichkeiten eröffnen werden. Andererseits ist derzeit noch vieles kaum mehr als Grundlagenforschung – viele der im Folgenden besprochenen Substanzen werden in der Versenkung verschwinden, manche sind es bereits.

Neue Attachment-Inhibitoren

Das Andocken des HIV-Glykoproteins gp120 an den CD4-Rezeptor ist der erste Schritt beim Eintritt von HIV in die Zelle. Theoretisch lässt sich das Andocken (Attachment) bzw. die Interaktion von gp120 und CD4 durch verschiedene Mechanismen hemmen – so kann sowohl der CD4-Rezeptor als auch die Bindungsstelle von gp120 blockiert werden. Beides wird derzeit untersucht, und folglich sind die Attachment-Inhibitoren sehr heterogen, sodass man vermutlich gar nicht von einer einzelnen Substanzklasse sprechen kann.

Bereits Anfang der 90er Jahre wurde mit löslichen CD4-Molekülen experimentiert, die das Andocken von HIV an die CD4-Zellen verhindern (Daar 1990, Schooley 1990). Was im Labor zunächst gut ausgesehen hatte, funktionierte im Menschen leider nicht, wahrscheinlich aufgrund der sehr kurzen Halbwertszeit von löslichem CD4 (wenige Minuten). Mit dem wachsenden Wissen um den Mechanismus des Eintritts von HIV in die Zelle, aber auch durch den Erfolg von T-20 als erstem Entry-Inhibitor, hat sich die Entwicklung der Attachment-Inhibitoren in den letzten Jahren neu belebt. Die meisten Präparate sind allerdings noch nicht besonders weit in ihrer Entwicklung und oft noch mit einer problematischen Pharmakokinetik belastet – meist geht es derzeit noch um „Proof of Principle“.

BMS-663068 ist ein Attachment-Inhibtor der Firma BMS. Als sogenanntes „small molecule“ bindet es spezifisch und reversibel an gp120 von HIV und verhindert über eine Konformationsänderung von gp120 das Andocken an die CD4-Zelle. Es bindet also nicht wie Ibalizumab (s. unten) an den CD4-Rezeptor. Die Substanz sorgte unlängst auf der CROI für Aufsehen (Nettles 2011). Die Viruslast sank zwischen 1,2 und 1,8 Logstufen, das Maximum der Absenkung wurde jeweils einige Tage nach Ende der Behandlung erreicht. Leider zeigten sich keine Dosisabhängigkeit und große interindividuelle Schwankungen. Relativ häufig waren Kopfschmerzen (44 %) und Rash (16 %, meist mild). Aber dennoch: Hoffnungsvolle Wiederbelebung einer neuen Wirkstoffgruppe. BMS-663068 ist die Prodrug von BMS-626529, das eine breite Wirksamkeit gegen verschiedene HIV-Isolate besitzt (Nowicka-Sans 2011). Es ist ein Nachfolger von BMS-488043, dass nach ersten klinischen Daten (Hanna 2004) in 2004 gestoppt wurde. Problem dieser Art von Medikamenten könnte die rasche Resistenzentwicklung sein – die Bindungsstelle von gp120 ist schließlich eine der variabelsten Stellen überhaupt (Madani 2010).

 

Ibalizumab (früher TNX-355 bzw. Hu5A8) ist ein monoklonaler Antikörper, der direkt an den CD4-Rezeptor bindet und so den Eintritt von HIV verhindert. Ganz ist der Wirkmechanismus allerdings noch nicht geklärt. Im Gegensatz zu anderen Attachment-Inhibitoren scheint Ibalizumab nicht die Bindung von gp120 an CD4 zu verhindern, sondern eher die konformationelle Änderung und damit die Bindung von gp120 an CCR5 und CXCR4. Ibalizumab kann nur intravenös verabreicht werden. Nach ersten Studien (Jacobsen 2004+2009, Kuritzkes 2004) gibt es mittlerweile 48-Wochen-Daten einer plazebokontrollierten Phase-II-Studie (Norris 2006). In dieser erhielten intensiv vorbehandelte Patienten zusätzlich zu einer optimierten ART alle zwei Wochen eine Infusion mit zwei unterschiedlichen Dosen Ibalizumab (10 bzw. 15 mg/kg) oder Plazebo. Nach 48 Wochen war ein lang anhaltender Viruslastabfall von etwa einer Logstufe in beiden Verum-Armen zu beobachten.

Es scheint eine inverse Korrelation zwischen der Sensitivität für Ibalizumab und löslichem CD4 zu geben – möglicherweise sind Ibalizumab-resistente Viren für lösliches CD4 überempfindlich, das alleine nicht wirkt (siehe oben, Duensing 2006). Resistenzen sorgten für eine erhöhte Sensitivität gegenüber löslichem CD4 und dem gp120-Antikörper VC01, weshalb unlängst die Idee aufgeworfen wurde, Ibalizumab in einem Cocktail aus CD4 und VC01 zu geben (Pace 2011). Erste Daten zu Resistenzen wurden kürzlich publiziert (Toma 2011).

Eine Frage ist, ob die Funktionalität der CD4-Zellen nicht beeinträchtigt wird. Bislang wurden keine negativen Auswirkungen auf die CD4-Zellen festgestellt, und angeblich ist die Bindungsstelle von Ibalizumab an CD4 auch anders lokalisiert als die Bindungsstellen der natürlichen CD4-Liganden, den HLA-Klasse-II-Molekülen. Die CD4-Zellen sollten ihre normalen Funktionen also wahrnehmen können, auch wenn Ibalizumab die HIV-Bindungsstelle besetzt: hoffen wir, dass dem so ist.

Ursprünglich von der Firma Tanox Biosystem (Houston, Texas) entwickelt, war nach der Tanox-Übernahme durch die amerikanische Biotechnologie-Firma Genentech zunächst unklar, wie es mit Ibalizumab weiter gehen sollte. Genentech verkaufte Mitte 2007 die Rechte an TaiMed Biologics, eine taiwanesische Firma – diese plant derzeit Phase IIb-Studien in Europa und den USA. Dass es mit der Substanz weiter gehen könnte, mag man an dem Umstand erkennen, dass sich David Ho, Direktor des Aaron Diamond Instituts und übrigens taiwanesischer Abstammung, persönlich der Sache angenommen hat.

Literatur zu Attachment-Inhibitoren

Daar ES, Li XL, Moudgil T, Ho DD. High concentrations of recombinant soluble CD4 are required to neutralize primary human immunodeficiency virus type 1 isolates. Proc Natl Acad Sci U S A 1990, 87:6574-6578.

Duensing T, Fung M, Lewis S, Weinheimer S. In vitro characterization of HIV isolated from patients treated with the entry inhibitor TNX-355. Abstract 158 LB,  13th CROI 2006, Denver.

Hanna G, Lalezari L, Hellinger J, et al. Antiviral activity, safety, and tolerability of a novel, oral small-molecule HIV-1 attachment inhibitor, BMS-488043, in HIV-1-infected subjects a novel, oral small-molecule HIV-1 attachment inhibitor, BMS-488043, in HIV-1-infected subjects. Abstract 141, 11th CROI, 2004, San Francisco.

Jacobson JM, Kuritzkes DR, Godofsky E, et al. Phase 1b study of the anti-CD4 monoclonal antibody TNX-355 in HIV-infected subjects: safety and antiretroviral activity of multiple doses. Abstract 536, 11th CROI 2004, San Francisco.

Jacobson JM, Kuritzkes DR, Godofsky E, et al. Safety, pharmacokinetics, and antiretroviral activity of multiple doses of ibalizumab (formerly TNX-355), an anti-CD4 monoclonal antibody, in human immunodeficiency virus type 1-infected adults. Antimicrob Agents Chemother 2009, 53:450-7.

Kuritzkes DR, Jacobson J, Powderly WG, et al. Antiretroviral activity of the anti-CD4 monoclonal antibody TNX-355 in patients infected with HIV type 1. J Infect Dis 2004, 189:286-91.

Madani N, Princiotto A, Schön A, et al. Binding requirements for the entry inhibitor BMS-806. Abstract 65, 17th CROI 2010, San Francisco.

Nettles R, Schürmann D, Zhu L, et al. Pharmacodynamics, safety, and pharmacokinetics of BMS-663068: A potentially first-in-class oral HIV attachment inhibitor. Abstract 49, 18th CROI 2011, Boston.

Norris D, Morales J, Godofsky E, et al. TNX-355, in combination with optimized background regimen, achieves statistically significant viral load reduction and CD4 cell count increase when compared with OBR alone in phase 2 study at 48 weeks. Abstr. ThLB0218, XVI IAC 2006, Toronto

Nowicka-Sans B, Gong YF, Ho HT, et al. Antiviral Activity of a New Small Molecule HIV-1 Attachment Inhibitor, BMS-626529, the Parent of BMS-663068. Abstract 518, 18th CROI 2011, Boston.

Pace G, Fordyce M, Franco D. Anti-CD4 monoclonal antibody ibalizumab exhibits exceptional breadth and potency against HIV, which adopts a unique pathway to resistance. Abstract 585, 18th CROI 2011, Boston.

Schooley RT, Merigan TC, Gaut P, et al. Recombinant soluble CD4 therapy in patients with the acquired immunodeficiency syndrome (AIDS) and AIDS-related complex. Ann Intern Med. 1990, 112:247-253.

Toma J, Weinheimer SP, Stawiski E, et al. Loss of asparagine-linked glycosylation sites in variable region 5 of human immunodeficiency virus type 1 envelope is associated with resistance to CD4 antibody ibalizumab. J Virol 2011, 85:3872-80.

Neue Korezeptorantagonisten

HIV braucht neben dem CD4-Rezeptor für den Eintritt in die Zielzelle so genannte Korezeptoren wie CCR5 und CXCR4, siehe dazu auch das vorhergehende Kapitel. Beide Korezeptoren lassen sich blockieren, „antagonisieren“. Es werden daher CCR5- und CRCR4-Korezeptorantagonisten unterschieden, je nachdem, welcher Korezeptor blockiert wird. Mit Maraviroc wurde in 2007 der erste CCR5-Antagonist zugelassen. Bei den CCR5-Antagonisten sind derzeit die oral verfügbaren „small molecules“ und andere Ansätze wie zum Beispiel monoklonale Antikörper zu unterscheiden. Im Folgenden werden Substanzen dieser Wirkstoffklasse besprochen, zu denen Tests am Menschen publiziert wurden.

Neue CCR5-Antagonisten („small molecules“)

Vicriviroc (SCH-D oder 417690) ist bzw. war ein oral bioverfügbarer CCR5-Antagonist von Schering-Plough. Die Entwicklung dieser eigentlich viel versprechenden Substanz wurde im Juli 2010 gestoppt, nach einer gepoolten Analyse zweier Phase III-Studien, VICTOR E3 und E4 (Gathe 2010). Insgesamt 721 vorbehandelte Patienten hatten 30 mg Vicriviroc oder Placebo zu einer optimierten Therapie erhalten, darunter relativ viele Darunavir und/oder Raltegravir. Nach 48 Wochen fanden sich keine Unterschiede zwischen Vicriviroc und Placebo (64 versus 62 % unter 50 Kopien/ml). Trotz deutlicher Unterschiede bei jenen Patienten, die nur noch maximal zwei aktive Medikamente hatten (70 versus 55 %) nahm die Firma diese Daten zum Anlass, die Entwicklung Vicrivirocs einzustellen. Weshalb Vicriviroc dann noch erwähnt wird? Weil das Beispiel Vicriviroc die Probleme verdeutlicht, die neue Substanzen in Zukunft haben werden – angesichts der immer besseren Therapien wird es immer schwieriger, einen Effekt tatsächlich zu zeigen – die Begleittherapie ist einfach zu gut geworden.

Cenicriviroc (TBR-652 oder vorher TAK-652) ist ein neuer, oral verfügbarer CCR5/CCR2-Antagonist, der mittlerweile von Takeda an Tobira verkauft wurde. Labordaten zeigten, dass für eine komplette Resistenz mehrere Mutationen in der V3-Region (und im env Gen) vorhanden sein müssen. Der Tropismus scheint sich durch die Resistenzen nicht zu ändern (Baba 2007). Die orale Bioverfügbarkeit ist gut, die Halbwertzeit sehr lang mit 35-40 Stunden, was eine Einmalgabe ermöglicht. Die orale Verfügbarkeit wird verbessert mit Nahrung. Cenicriviroc scheint auch eine Wirksamkeit gegen CCR2 zu haben, ein Rezeptor, der auf Monozyten, dendritischen und Memory T-Zellen sitzt. Bislang bestehen deswegen trotzdem keine Sicherheitsbedenken, in gesunden Probanden war die Substanz gut verträglich (Palleja 2009). In einer ersten doppelblinden Studie mit 10 Tagen Monotherapie und unterschiedlichen Dosen bei 54 Patienten sank die Viruslast um maximal 1,5-1,8 Log-Stufen (Lalezari 2011, Marier 2011).

INCB9471 ist ein oral verfügbarer CCR5-Antagonist der Firma Incyte. In einer kleinen Studie an 21 HIV-Patienten, die 14 Tage lang Verum oder Plazebo erhalten hatten (Cohen 2007), wurde der Nadir des Viruslastabfalls von 1,82 Logstufen nach 16 Tagen erreicht. Angesichts der langen Halbwertzeit von INCB9471 von 60 Stunden blieb der Effekt bis zum Tag 20 erhalten, 6 Tage nach Ende der Therapie. Im März 2008 gab Incyte freilich bekannt, die Substanz verkaufen zu wollen, um sich auf andere Produkte zu konzentrieren – die Weiterentwicklung ist fraglich.

PF-232798 ist ein oral verfügbarer CCR5-Antagonist von Pfizer bzw. ViiV Healthcare und wohl ein Maraviroc-Backup. Er hat eine lange Halbwertzeit und kann wahrscheinlich einmal pro Tag gegeben werden. In vitro wirkt es gegen Maraviroc-Resistenzen. Gesunde Probanden vertrugen die Substanz gut (Dorr 2008).

SCH532706 ist ein neuer CCR5-Antagonist von Schering, bei dem auf den ersten Blick keine Vorteile gegenüber Vicriviroc erkennbar sind. Bei 12 Patienten sank die Viruslast unter 60 mg SCH532706 (mit 100 mg Ritonavir) um bis zu 1,62 Logstufen nach 15 Tagen (Pett 2009). Eine Einmalgabe scheint möglich zu sein. Möglicherweise gibt es positive Auswirkungen auf die Immunaktivierung (Pett 2010) – allerdings scheint es fraglich, dass diese Substanz nach dem Ende von Vicriviroc weiter verfolgt wird.

Andere neue, innovative CCR5-Blocker

HGS004 (oder CCR5mAb004) von Human Genome Sciences ist ein monoklonaler Antikörper, der offensichtlich in vitro eine sehr hohe Resistenzbarriere aufweist (Giguel 2006). Die Halbwertzeit liegt bei 5-8 Tagen, die Rezeptoren sind bis zu 4 Wochen nach der Einmalgabe noch zu über 80 % besetzt. In einer ersten Studie erhielten 54 ART-naive Patienten einmalige Infusionen zwischen 0,4 und 40 mg/kg CCR5mAb004 oder Plazebo (Lalezari 2008). Mehr als die Hälfte der Patienten in den höheren Dosisarmen zeigte nach 14 Tagen mindestens einen Abfall von einer Logstufe. Möglicherweise hat sich die Firma inzwischen HGS101 zugewandt, einem Antikörper, der in vitro noch deutlich effektiver und vor allem effektiv bei Maraviroc-Resistenzen sein soll (Latinovic 2011).

 

Pro-140 ist ein monoklonaler Antikörper der Firma Progenics, der sich gegen humane CCR5-Rezeptoren richtet (Trkola 2001). Er ist also kein Chemokin-Derivat wie Maraviroc oder Vicriviroc, mit denen sogar eine synergistische Wirkung zu bestehen scheint (Murga 2006). Die Resistenzbarriere ist wahrscheinlich hoch (Jacobson 2010). Pro-140 muss parenteral gegeben werden. Die normale Funktion von CCR5-Rezeptoren soll nicht gestört werden, zumindest nicht in den Dosen, die für die Hemmung der HIV-Replikation erforderlich sind (Gardner 2003). Gesunde Probanden vertrugen intravenöse Einzelgaben gut, und es wurden dosisabhängige Konzentrationen gemessen (Olson 2005). Erstaunlich war die lange Wirkung – die CCR5-Rezeptoren waren teilweise mehr als 60 Tage besetzt (Olson 2006). Bei 39 HIV-Patienten, die intravenösen Einmaldosen zwischen 0,5 und 5,0 mg/kg erhielten, sank die Viruslast in der höchsten Dosis um 1,83 Logstufen bei einem Nadir um den 10. Tag herum (Jacobson 2008). Eine höhere Dosis scheint nicht mehr zu bringen (Jacobsen 2010). Interessanterweise lassen sich vergleichbare Effekte auch bei einer wöchentlichen subkutanen Gabe erreichen (Jacobsen 2010). Wenn sich die bislang gute Verträglichkeit von Pro-140 bestätigt, könnte sich hier die erste Therapie andeuten, die nur einmal pro Woche gegeben werden muss.

ESN-196 ist eine Pilotsubstanz der Firma Euroscreen, die den Korezeptor nicht blockiert, sondern ähnlich dem Chemokin RANTES agonistisch und somit eine Rezeptor-Internalisierung bewirkt (Ferain 2008). Dieser „CCR5-Agonist“ reduziert so die Rezeptordichte auf der Zelloberfläche. In vitro ist er damit so wirksam wie Maraviroc. Sofern er sich in klinischen Versuchen als sicher erweist, könnte er als lang wirksame Substanz auch bei CCR5A-resistenten Viren eine Alternative sein.

Aprepitant (Emend®) ist als Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonist bzw. Antiemetikum bei hochemetogenen Chemotherapien zugelassen. Offensichtlich hat es durch die Herunterregulierung von CCR5-Rezeptoren einen Effekt auf R5-trope Viren. Labordaten zeigten dosisabhängige Effekte auf die HIV-Replikation (Wang 2007, Manak 2010). Angeblich laufen Studien bei HIV-Patienten.

CXCR4-Antagonisten

Bei den meisten Patienten sind in den frühen Infektionsstadien R5-Viren zu finden; X4-Viren treten erst in späten Stadien auf. Bei intensiv vorbehandelten Patienten liegen in etwa der Hälfte der Fälle X4-Viren vor (Hoffmann 2007). Theoretisch ist daher die Blockade des CXCR4-Rezeptors attraktiv, da von ihr gerade Patienten mit limitierten Optionen profitieren könnten. Auch die Kombination mit CCR5-Antagonisten erscheint als eine interessante Option. Dennoch ist die Entwicklung der CXCR4-Antagonisten viel weniger fortgeschritten als die der CCR5-Antagonisten (Review: Khan 2007). Dies liegt vor allem daran, dass bei der Blockade von CCR5 zumindest theoretisch weniger klinische Konsequenzen zu befürchten sind – Menschen mit einem angeborenen CCR5-Gendefekt sind gesund. Bei CXCR4 ist dagegen ein angeborener, meist harmloser Defekt im Menschen nicht bekannt. Im Tierversuch hatte die CXCR4-Blockade weitreichende Konsequenzen, zum Beispiel bei der Angiogenese, Hämatopoese oder Hirnentwicklung (Tachibana 1998, Nagasawa 1998, Zou 1998).

Somit sind sicher noch Jahre Grundlagenforschung notwendig, bis man sich an größere klinische Studien wagt. Dennoch: eine Vielzahl chemisch sehr unterschiedlicher Substanzen befindet sich in präklinischer Testung (Jenkinson 2010, Miller 2010, Skerl 2010, Steen 2010, Thakkar 2010) – CXCR4-Antagonisten scheinen eine Substanzgruppe zu sein, von der man sich trotz aller Hürden etwas verspricht. Interessanter Nebeneffekt der bisherigen Forschung war die Erkenntnis, das einige Substanzen offenbar in der Lage sind, Stammzellen zu mobilisieren. So wird eine der Pilotsubstanzen, AMD3100, derzeit unter dem Namen Plexifor als Leukozyten-Wachstumsfaktor bzw. als G-CSF-Alternative weiter entwickelt (Uy 2008). Für eine auf Dauer angelegte HIV-Therapie ist ein solcher Effekt freilich nicht unbedingt erwünscht. Auch bei Lupus erythematodes werden CXCR4-Antagonisten diskutiert (Chong 2009).

AMD 11070 ist ein CXCR4-Antagonist von AnorMED. Gesunde Probanden vertrugen AMD 070 gut, entwickelten allerdings oft eine Leukozytose (Stone 2004). In zwei Pilotstudien (Moyle 2007, Saag 2007) wurde die Wirksamkeit bei HIV-Patienten mit dualtropen Viren bewiesen. Nach 10 Tagen Monotherapie sank die Viruslast bei 7/15 Patienten um mindestens eine Logstufe. Allerdings wurde die Entwicklung 2007 aufgrund einer Lebertoxizität vorläufig gestoppt. Die Bindung an den X4-Rezeptor ist etwas anders lokalisiert als die der Vorläufersubstanz AMD 3100, was hoffen lässt, dass es Spielraum in der Entwicklung neuer, potenterer und weniger toxischer CXCR4-Antagonisten gibt (Wong 2007) – mit AMD 11070 wurde wenigstens ein Anfang gemacht und der Wirksamkeitsnachweis erbracht. Derzeit scheint mit AMD 3465 eine weitere Substanz evaluiert (Bodart 2009).

KRH-3955 und KRH-3140 sind zwei neue CXCR4-Anatagonisten, die sich zumindest im Mausmodell als wirksam erwiesen haben (Tanaka 2006). Besonders KRH-3955 scheint präklinischen Daten zufolge viel versprechend (Murakami 2009), die orale Bioverfügbarkeit scheint gut zu sein (bei Hunden). Ebenfalls präklinisch ist noch POL3026, der möglicherweise helfen könnte, den unter CCR5-Antagonisten selektionierten X4-Shift zu verhindern (Moncunill 2008).

Literatur zu Korezeptorantagonisten

Baba M, Miyake H, Wang X, Okamoto M, Takashima K. Isolation and characterization of human immunodeficiency virus type 1 resistant to the small-molecule CCR5 antagonist TAK-652. Antimicrob Agents Chemother 2007;51:707-15.

Bodart V, Anastassov V, Darkes MC, et al. Pharmacology of AMD3465: a small molecule antagonist of the chemokine receptor CXCR4. Biochem Pharmacol 2009, 78:993-1000.

Chong BF, Mohan C. Targeting the CXCR4/CXCL12 axis in systemic lupus erythematosus. Expert Opin Ther Targets 2009, 13:1147-53.

Cohen C, DeJesus E, Mills A, et al. Potent antiretroviral activity of the once-daily CCR5 antagonist INCB009471 over 14 days of monotherapy. Abstract TUAB106, 4th IAS 2007, Sydney.

Dorr P, Westby M, McFadyen L, et al. PF-232798, a Second Generation Oral CCR5 Antagonist. Abstract 737, 15th CROI 2008, Boston.

Ferain O, Schols D, Bernard J, et al. ESN-196, a novel, small-molecule CCR5 agonist inhibits R5 HIV infection. Abstract 738, 15th CROI 2008, Boston.

Gardner J, Cohen M, Rosenfield SI, Nagashima KA, Maddon PJ, Olson WC. Immunotoxicology of PRO 140: a humanized anti-CCR5 monoclonal antibody for HIV-1 therapy. Abstract 876, Abstract 444, 43rd ICAAC 2003, Chicago.

Gathe J, R Diaz R, Fätkenheuer G, et al. Phase 3 trials of vicriviroc in treatment-experienced subjects demonstrate safety but not significantly superior efficacy over potent background regimens alone. Abstract 54LB, 17th CROI 2010, San Francisco.

Giguel F, Beebe L, Migone TS, Kuritzkes D. The anti-CCR5 mAb004 inhibits hiv-1 replication synergistically in combination with other antiretroviral agents but does not select for resistance during in vitro passage. Abstract 505, 13th CROI 2006, Denver.

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Neue Fusions-Inhibitoren

Obwohl mit T-20 der erste Entry-Inhibitor ein Fusions-Inhibitor (FI) war, ist hier wenig Neues in Sicht (Review: Eggink 2010). Die oft notwendigen subkutanen Injektionen schrecken ab. Ob „small molecule“-FIs, eine neue Gruppe oral verfügbarer FIs, wirksam sind, muss sich zeigen (Jiang 2004+2005). Möglicherweise lässt sich die Effektivität vieler FIs durch Einfügung von Cholesterolgruppen erhöhen (Ingallinella 2009).

Sifuvirtide ist ein FI, der in China entwickelt wird. In Affen zeigte sich eine längere Halbwertszeit (39 Stunden) und eine erhöhte Affinität gegenüber gp41 als T-20 (Dai 2005). Gesunde Probanden vertrugen Sifuvirtide gut (He 2008), es gibt interessante synergistische Effekte mit T-20 (Pan 2009). Teilweise scheinen allerdings auch Kreuzresistenzen zu bestehen (Liu 2010).

SP01A von Samaritan Pharmaceuticals wirkt anders als alle anderen Hemmer des HIV-Eintritts und ist vor allem deswegen von Interesse. Als Procainhydrochlorid reduziert SP01A die Expression des Schlüsselenzyms HMG-CoA-Reduktase, entzieht der Zellmembran Cholesterol und scheint so nicht nur in vitro die Fusion von Virus und Zelle zu hemmen. Die Wirksamkeit dieser Substanz, die seit Jahren immer wieder bei HIV-Patienten untersucht wurde, konnte bislang in drei Phase-II-Studien gezeigt werden. Sie ist allerdings mäßig, in der höchsten Dosis von 800 mg zeigten lediglich 50 % der Patienten einen Viruslastabfall. Nach 10 Tagen Monotherapie fiel die Viruslast um 0,4, nach 28 Tagen um 0,5 Logstufen. Publiziert wurde dies im Juli 2007 auf Websites der Firma (www.samaritanpharma).

TRI-999 und TRI-1144 sind zwei neue Zweit-Generations-FIs, die von Trimeris in Zusammenarbeit mit Roche entwickelt werden (Delmedico 2006). Potenz und Pharmakokinetik dieser Peptide sollen gegenüber T-20 nach Untersuchungen an Affen deutlich verbessert sein. Zwar ist die Gabe via Injektionen weiterhin notwendig, möglicherweise aber nur einmal pro Woche. Daten zu Untersuchungen am Menschen liegen bislang nicht vor, es soll wohl mit TRI-1144 weiter gehen.

Virip blockiert den Eintritt von HIV-1 in die Zelle, indem es mit dem gp41 Fusionspeptid interagiert. Es wird auch als Anchor- (Verankerungs) Inhibitor bezeichnet. Forscher aus Ulm entdeckten das Peptid in Hämofiltrat, also jener Flüssigkeit, die aus dem Blut von Dialysepatienten filtriert wird, um es durch eine Elektrolytlösung zu ersetzen. Somit ist Virip ein „natürlicher“ Entry-Inhibitor, dessen antiretrovirale Aktivität sich durch leichte Modifikationen bzw. Austausch einiger weniger Aminosäuren noch deutlich steigern ließ (Munch 2007). In einer ersten Studie bei HIV-Patienten führten Dauerinfusionen in der höchsten Dosis zu einem Abfall von etwa einer Logstufe nach 10 Tagen (Forssmann 2010). Die Verträglichkeit war gut, jetzt wird eine subkutane Applikation evaluiert.

Aus den Augen, aus dem Sinn: Gestoppte Entry-Inhibitoren

  • AMD 3100 (CXCR4A) von AnorMed, Kardiotoxizität
  • Aplaviroc/GW873140/AK602 (CCR5A) von GSK, Hepatotoxizität
  • BMS-806, BMS-488043 (Attachment-Inhibitor), schlechte Pharmakokinetik
  • FP-21399 (FI) von Lexigen bzw. Merck, wohl zu schwach
  • Pro-542 (Attachment-Inhibitor) von Progenics, konzentriert sich auf Pro-140
  • SCH-C/Ancriviroc (CCR5A) von Schering-Plough, Herzrhythmusstörungen
  • T-1249 und T-649 (FIs) von Roche/Trimeris, mangelnde Erfolgsaussicht
  • TAK-779, TAK-220 (CCR5A) von Takeda, ersetzt durch TAK-652

Literatur zu neuen Fusions-Inhibitoren

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Neue Integrase-Inhibitoren

Die durch das HIV-Enzym Integrase vermittelte Integration der viralen DNA in die Wirts-DNA ist ein entscheidender Schritt im Replikationszyklus von HIV. Mit Raltegravir wurde 2007 der erste Integrase-Inhibitor für die Behandlung der HIV-Infektion zugelassen (siehe vorheriges Kapitel). Angesichts dieses großen Erfolgs ist damit zu rechnen, dass sich die klinische Forschung in den kommenden Jahren auf diese Wirkstoffklasse fokussieren wird. Wesentliches Problem scheint derzeit eine klassenübergreifende Kreuzresistenz zu sein, so dass es notwendig sein wird, neue Integrasehemmer zu finden, die anders mit dem Enzym interagieren als Raltegravir – „Me-too-Integrasehemmer“, die sich in Wirkungsweise und Pharmakokinetik nur marginal unterscheiden, sind nicht gefragt (Serrao 2009).

Dolutegravir (GSK-1349572 oder DTG) ist ein neuer Integrasehemmer, der aus der Kooperation von Shinogi und GSK hervorgegangen ist und inzwischen von ViiV Healthcare entwickelt wird. Als Integrasehemmer der zweiten Generation wurde einiges verbessert – darunter vor allem Pharmakokinetik (einmal tägliche, ungeboosterte Gabe möglich) und ein günstiges Resistenzprofil. In einer Phase IIa-Studie an 35 Patienten zeigte sich ein Abfall von 2,5 Logstufen unter 50 mg, 70 % erreichten eine Viruslast unter 50 Kopien/ml (Lalezari 2009). In SPRING-1, einer Phase IIb-Studie, erhielten ca. 200 therapienaive Patienten verschiedene Dosen Dolutegravir (10, 25, oder 50 mg) oder Efavirenz, plus jeweils 2 NRTIs (Arribas 2010). Nach einer Interimsanalyse nach Woche 16 waren in den Dolutegravir-Armen bereits 90-96 % unter der Nachweisgrenze von 50 Kopien/ml, verglichen mit 60 % im Efavirenz-Arm. Beeindruckend war in SPRING-1, wie in allen Studien bislang, die sehr gute Verträglichkeit (Lou 2009).

Die Kreuzresistenzen mit anderen Integrasehemmern scheinen nicht komplett zu sein (Underwood 2009, Seki 2010). Eine wichtige Resistenz liegt wohl bei T124A, aber auch Raltegravir-typische Mutationen am Codon 148, vor allem bei weiteren Mutationen, scheinen die Wirkung zu beeinträchtigen (Garrido 2011). Vorläufige klinische Daten aus den VIKING-Studien zeigen, dass bei Raltegravir-Resistenzen möglicherweise höhere Dosen helfen, die Resistenzen zu überwinden. In VIKING II erreichten 13/24 Patienten mit Raltegravir-Resistenzen unter 10 Tagen Monotherapie mit jeweils 100 mg Dolutegravir eine Viruslast unter 400 Kopien/ml. Dies war mehr als in VIKING I, in der 50 mg verwendet worden waren (Eron 2011). Relevante Interaktionen mit geboosterten PIs bestehen nicht, allerdings reduziert Etravirin die Spiegel deutlich (Song 2011). Dies gilt auch für Antazida – sie sollten zeitlich versetzt eingenommen werden (Patel 2011).

Dolutegravir wird derzeit in der Dosis von 50 mg auch in festen Kombinationen mit ABC+3TC untersucht. Zahlreiche weitere Studien laufen. Insgesamt scheint Dolutegravir eine der wenigen Substanzen zu sein, die es in den nächsten Jahren auf den Markt schaffen könnten.

Elvitegravir (GS-9137, früher JTK-303) ist ein Integrasehemmer von Gilead, der biochemisch den Chinolon-Antibiotika ähnelt (Sato 2006). Wie Raltegravir hemmt auch Elvitegravir den Strangtransfer. Einzeldosen waren oral bioverfügbar, sicher und gut verträglich (Kawaguchi 2006). In einer Studie an 40 HIV-Patienten (therapienaiv und vorbehandelt) sank die Viruslast nach 10 Tagen Monotherapie um etwa 2 Logstufen (DeJesus 2006). Wesentlicher Nachteil scheint zu sein, dass Elvitegravir mit 100 mg Ritonavir geboostert werden muss (Kearney 2006), doch ist dafür dann wohl die tägliche Einmalgabe möglich.

Eine Phase-II-Studie, in der 278 Patienten entweder drei geboosterte Dosen (20, 50 und 125 mg) Elvitegravir oder einen neuen Ritonavir-geboosterten PI erhielten, zeigte ein gutes Ansprechen (Zolopa 2010). Zwar musste der 20 mg-Arm wegen hoher Versagensrate abgebrochen werden, dafür erreichten in den höher dosierten Armen mehr Patienten nach 16 Wochen eine Viruslast unter 50 Kopien/ml (ca. 40 versus 30 %). Vor vorschnellen Vergleichen mit den Raltegravir-Daten sei gewarnt, da diese Studie anders konzipiert war – es wurde gegen einen aktiven PI und nicht gegen Plazebo verglichen (Zolopa 2007). Die Verträglichkeit war wie bei Raltegravir sehr gut. Die Dosis, mit der es jetzt in weitere Studien geht, wird 125 mg sein.

Auch bei Elvitegravir lassen sich in vitro Resistenzmutationen selektionieren, es scheint ebenfalls mindestens zwei Resistenzpfade zu geben, und zwar über T66I oder E92Q (Shimura 2008). Vor allem E92Q bedingt eine hohe Resistenz (36-fach). Bei Y143, einer Raltegravir-Resistenz, scheint noch eine Wirkung zu bestehen (Métifiot 2011). Größtenteils überlappen sich jedoch die Resistenzen von Elvitegravir und Raltegravir, klassenübergreifende Kreuzresistenzen sind also wahrscheinlich (Kodama 2006). Eine kleine Studie, in der Patienten von Elvitegravir auf Raltegravir wechselten, zeigte kein virologisches Ansprechen (DeJesus 2007).

Wesentliche Interaktionen mit Elvitegravir sind nicht zu erwarten, zumindest nicht mit NRTIs, Darunavir, Tipranavir, Fosamprenavir oder Etravirin. Die Dosis von Maraviroc muss allerdings halbiert werden (Mathias 2007, Ramanathan 2008).

Um nicht auf Ritonavir als Booster-Substanz angewiesen zu sein, untersucht Gilead derzeit die Kombination von Elvitegravir mit Cobicistat (GS-9350), einem so genannten Pharmakoenhancer (PKE). Bei gesunden Probanden wurden gute Effekte auf die Pharmakokinetik gesehen (German 2010), so dass jetzt eine QUAD-Pille entwickelt wird, die die Kombination aus Tenofovir, FTC, Cobicistat und Elvitegravir enthält. In einer ersten Phase II-Studie wurde die QUAD-Pille bei 71 therapienaiven Patienten doppelblind gegen Atripla® getestet, mit vergleichbarem Effekt nach 24 Wochen (Cohen 2011).

GSK-744 ist wohl „nur“ ein Backup für Dolutegravir, aber nicht minder effektiv. In einer ersten doppelblind-randomisierten Studie an 48 Probanden war die Substanz über 14 Tage gut verträglich – unter den 13 HIV-Patienten sank die Viruslast im Median um 2,6 Logstufen (Min 2009).

MK-2048 – ist ein Integrasehemmer der 2.Generation von MSD, mit dem wohl nur begrenzte Kreuzresistenzen zu Raltegravir bestehen (Goethals 2010, Bar-Magen 2011, Van Weesenbeeck 2011). Es soll wohl auch als PrEP untersucht werden.

Aus den Augen, aus dem Sinn: Zuletzt gestoppte Integrase-Inhibitoren

  • BMS-707035, wohl kein Vorteil gegenüber Raltegravir erkennbar
  • GSK-364735 (GSK), Lebertoxizität in Affen, 2007 in Phase IIa gestoppt
  • L-870810 (Merck), Lebertoxizität in Hunden
  • S-1360 (Shionogi/GSK), wohl zu toxisch, in 2005 gestoppt

Literatur zu neuen Integrase-Inhibitoren

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Neue Maturations-Inhibitoren

Maturations-Inhibitoren („Reifungshemmer“) hemmen die HIV-Replikation in einer späten Phase des Vermehrungszyklus, nämlich bei der Knospung neuer Virionen (Review: Salzwedel 2007). Wie bei den Integrasehemmern konnte erstmals 2005 in vivo eine antivirale Wirkung gezeigt werden. Maturations-Inhibitoren sind damit zweifellos eine interessante neue Substanzklasse. Ob es jemals eine Substanz in die Klinik schaffen wird, bleibt derzeit jedoch unklar – während der Entwicklung von Bevirimat, der Pioniersubstanz, sind viele Probleme offensichtlich geworden.

Bevirimat (MPC 4326, früher auch PA-457) ist ein Derivat der Betulinsäure, die als Triterpencarbonsäure aus Birkenrinde isolierbar ist. Bevirimat, inzwischen von Panacos an Myriad Pharmaceuticals verkauft, hemmt die Knospung bzw. Reifung neuer Virionen (Li 2003). Gehemmt wird die Umwandlung des Kapsid-Precursor-Proteins p25 in das reife Kapsid-Protein p24, wodurch nicht-infektiöse Viren entstehen. Die lange Halbwertszeit erlaubt die eine einmal tägliche Gabe (Martin 2007, Smith 2007). Bislang wurde Bevirimat, das inzwischen bei über 650 Probanden und Patienten getestet wurde, gut vertragen. Dies gilt auch für die Kombination mit Atazanavir, bei dem Interaktionen befürchtet worden waren (Martin 2008). Interaktionen scheinen dagegen mit Darunavir (Spiegel von Bevirimat sinken), aber auch mit Raltegravir (Raltegravir-Spiegel steigen) zu bestehen (Beelen 2010).

Im Herbst 2005 wurde eine erste plazebokontrollierte IIa-Studie publiziert, in der Patienten 10 Tage Bevirimat oral erhalten hatten (Beatty 2005). Unter 200 mg sank die Viruslast im Median um 1,03 Logstufen, unter 100 mg noch um 0,48 Logstufen. Allerdings waren bei einigen Patienten keinerlei Effekte auf die Viruslast nachweisbar, was wohl auf „natürliche“ Polymorphismen im Gag-Gen zurückzuführen ist (van Baelen 2009, Lu 2011). Patienten mit Viren, die vor Therapiebeginn keine Gag-Polymorphismen (Mutationen) an den Positionen Q369, V370, oder T371 zeigten, sprechen besser auf Bevirimat an. In einer neueren Monotherapie-Studie mit höheren Dosen bei 32 Patienten zeigte sich nach 14 Tagen mit 200 oder 300 mg ein Abfall der Viruslast um 0,54 bzw. 0,7 Logstufen. Ohne Polymorphismen lag der Effekt oberhalb einer Logstufe, mit Polymorphismen nur bei 0,2 log (Bloch 2009). Ohne diese Gag-Polymorphismen scheinen insgesamt nur etwa 50‑70 % der Patienten zu sein. Es bestehen offenbar keine Unterschiede zwischen therapienaiven und vorbehandelten Patienten, auch gibt es wohl keine Abhängigkeit vom Grad der Immunschwäche (Margot 2009, Knapp 2009, Seclén 2010). Allerdings scheint es einen engen Zusammenhang mit PI-Resistenzen zu geben (Verheyen 2010).

Klar geworden ist also, dass wohl vor einer Therapie mit Bevirimat und evtl. auch anderen Maturations-Inhibitoren ein Test auf diese GagPolymorphismen notwendig sein wird – analog zum Tropismus-Test bei CCR5-Antagonisten. Die Firma Myriad erklärte im Juni 2010, die Entwicklung von Bevirimat nicht weiter zu verfolgen – es ist damit unklar, ob und wie es weiter geht.

PA1050040 ist Bevirimat wohl relativ ähnlich, wirkt auf die gleiche Weise, ist aber wohl auch gegen Bevirimat-resistente Viren (mit L363M) wirksam. Die PK-Daten scheinen besser zu sein, das Interaktionspotential geringer. Eine Phase I-Studie hat laut Panacos begonnen (Kilgore 2007).

UK-201844 ist ein Maturations-Inhibitor von Pfizer. Er wurde entdeckt, nachdem man mehr als eine Million (!) Substanzen gescreent hatte (Blair 2007). Der Wirkmechanismus scheint in einer Interaktion mit der gp160-Prozessierung zu liegen, die zur Produktion nicht-infektiöser Viren führt.

BIT-225 von der australischen Firma Biotron ist ein spezifischer Inhibitor der HIV-Replikation in Makrophagen, nicht aber in T-Zellen (Khoury 2007). Er wirkt über einen ganz eigenen Mechanismus als Vpu-Ionenkanal-Inhibitor und hemmt die Freisetzung viraler Partikel aus Makrophagen. BIT225 könnte bei der Eradikation aus latenten Zellreservoiren, zu denen Monozyten/Makrophagen bekanntlich zählen, eine Rolle spielen. Laut Biotron wurde im September 2007 eine Phase-I-Studie erfolgreich abgeschlossen, bei der bei 40 gesunden Probanden unter Dosen von 35-400 mg keine relevante Toxizität und akzeptable PK-Daten beobachtet wurden.

MPC–9055 ist wie Bevirimat ein Maturations-Inhibitor der US-Firma Myriad Pharmaceuticals aus Salt Lake City. Bei 55 gesunden Probanden zeigte sich eine gute Verträglichkeit und eine akzeptable Pharmakokinetik (Beelen 2009). Nach dem Ende von Bevirimat wird es wohl auch mit MPC-9055 nicht weiter gehen.

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Immuntherapien

Neben der „herkömmlichen“ antiretroviralen Therapie werden auch immunomodulatorische Therapiestrategien erprobt. Obwohl sie immer wieder als Alternative bzw. Ergänzung diskutiert werden: den Beweis eines klaren klinischen Benefits sind bislang noch alle Therapien schuldig geblieben. Das jüngste Beispiel ist das Scheitern der beiden großen IL-2-Studien (siehe unten). Einige Ansätze sollen dennoch im Folgenden in alphabetischer Reihenfolge kurz angerissen werden.

Cyclosporin A (Sandimmun®) je weniger das Immunsystem aktiviert ist, desto weniger Substrat bzw. Replikationsmöglichkeiten gibt es für HIV – ein verlockender theoretischer Ansatz. Cyclosporin, das sonst zur Prophylaxe von Organtransplantat-Abstoßungen eingesetzt wird, könnte solch ein Inaktivator des Immunsystems sein (Rizzardi 2002). In klinischen Studien enttäuschte Cyclosporin A allerdings: es hat weder Einfluss auf CD4/CD8-Zellzahlen noch auf die Expression von Aktivierungsmarkern (Calabrese 2002, Lederman 2006). Dies gilt nicht nur für chronisch, sondern auch für akut infizierte Patienten (Miro 2009, Markowitz 2010). Cyclosporin A hat daher für HIV-Patienten wohl keine Zukunft.

G-CSF (granulocyte colony-stimulating factor) gibt es u.a. als Filgrastim (Neupogen®), Lenograstim (Granocyte®) und neuerdings auch als (kostengünstigere) Biosimilars. Es ist u.a. zugelassen für andauernde Neutropenien bei fortgeschrittener HIV-Infektion zur Verhinderung bakterieller Infektionen. In einer randomisierten Studie an 258 HIV-Patienten mit CD4-Zellen unter 200/μl lag die Rate schwerer Neutropenien nach 24 Wochen bei 2 % versus 22 % in der Kontrollgruppe (Kuritzkes 1998). Die Inzidenz bakterieller Infektionen sank um 31 %, die Zahl der Krankenhaustage um 45 %. Ein Effekt auf die HI-Viruslast war nicht erkennbar. Bei Patienten mit CMV-Retinitis wurde sogar ein Überlebensvorteil durch G-CSF gezeigt (Davidson 2002). Obwohl schwere Neutropenien durch ART selten geworden sind, kann G-CSF heute insbesondere bei Chemotherapie, Interferon oder anderen myelosuppressiven Medikamenten wie Valganciclovir sinnvoll sein.

GM-CSF (granulocyte-macrophage colony-stimulating factor) gibt es als Molgramostim (Leucomax®) oder Sargramostim (Prokine®). In drei doppelblind randomisierten Studien zeigte sich ein leichter Abfall der HI-Viruslast (Angel 2000, Skowron 1999, Brites 2000), in einer Studie an Patienten mit unkontrollierter Infektion allerdings ein leichter Anstieg (Jacobson 2003). Während Therapiepausen scheint durch GM-CSF ein übermäßiger CD4-Zellabfall verhindert werden zu können (Fagard 2003). GM-CSF kann jedoch angesichts der Kosten und Nebenwirkungen außerhalb klinischer Studien nicht empfohlen werden – in Europa gibt es ohnehin keine Zulassung für GM-CSF.

Hydroxyurea (HU, Litalir®) ist ein altes Chemotherapeutikum, das noch heute bei chronischen myeloproliferativen Erkrankungen eingesetzt wird. Es hemmt die DNA-Synthese über die Ribonukleotid-Reduktase und führt zu einem intrazellulären Mangel an Deoxynukleosid-Triphosphaten. Schon 1994 wurden synergistische Effekte mit DDI auf die HIV-Replikation gezeigt (Lori 1994). 1998 sorgte dann eine plazebokontrollierte Schweizer Studie an 144 Patienten für Aufsehen: Nach 12 Wochen hatten unter HU 54 % versus 28 % im Plazeboarm eine Viruslast unter 200 Kopien/ml erreicht (Rutschmann 1998). Regelrecht in Mode kam HU schließlich mit dem Fall des „Berlin-Patienten“ – jenem Patienten, der in der akuten Infektion neben Indinavir+DDI auch HU einnahm und später auch ohne ART keine messbare Plasmavirämie hatte (Lisziewicz 1999). Lag es an Hydroxyurea? Viele Ärzte fingen an, HU zu verschreiben. Manch einer träumte von einer billigen Option in Kombination mit DDI für Afrika. Die Hoffnungen schwanden freilich schnell. Vor allem die Kombination mit DDI+D4T erwies sich als problematisch. Schwere Polyneuropathien (Moore 2000) und tödliche Pankreatitiden (Havlir 2001, Morre 2001) sorgten für Ernüchterung. Drei kontrollierte Studien zeigten außer Toxizität keinerlei positiven Effekt (Blanckenberg 2004, Stebbing 2004, Swindells 2005). Auch in der randomisierten Studie zur Primärinfektion blieb es ohne Wirkung – der Berlin-Patient ließ sich nicht „reproduzieren“ (Zala 2002). Fazit: Ein Argument für die weitere Erforschung oder gar Einsatz von Hydroxyurea ist nicht mehr zu erkennen.

Interferone haben einen antiretroviralen Effekt (Mildvan 1996), er liegt unter 3 Mio. IE täglich oder auch unter pegyliertem Interferon wöchentlich bei etwa 0,5–1 Logstufen (Haas 2000, Hatzakis 2001, Asmuth 2010). Wir haben Patienten gesehen, die unter einer HCV-Therapie mit Interferon auch mit der HI-Viruslast unter der Nachweisgrenze lagen – und zwar ohne ART! Weil Interferone jedoch subkutan gespritzt werden müssen und nicht unerhebliche Nebenwirkungen haben, sind sie in der HIV-Therapie jedoch nicht weiter verfolgt worden. Ob die Pegylierung der Interferone daran etwas ändern wird, scheint fraglich.

Interleukin-2 (IL-2, Aldesleukin, Proleukin®) ist ein Zytokin, das von aktivierten T-Zellen produziert wird und die Proliferation und Zytokinproduktion von T-, B- und NK-Zellen anregt. Zugelassen ist es in Deutschland zur Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms. Interleukin-2 wird subkutan appliziert; der wohl wichtigste Effekt sind dauerhafte CD4- und CD8-Zellanstiege. Anfangs steigen meist Memory-Zellen, gefolgt von naiven T-Zellen (Chun 1999, Carcelain 2003). Der Effekt von IL-2 beruht wohl vor allem auf einem reduzierten T-Zell-Turnover bzw. Zelltod (Kovacz 2005, Sereti 2005, Vento 2006).

Die Frage, ob die IL-2 bedingten CD4-Zellanstiege einen klinischen Benefit haben, wurde in 2009 mit ESPRIT und SILCAAT beantwortet, zwei große, randomisierte und über Jahre angelegte Studien (Abrams 2009). In ESPRIT hatten insgesamt 4.131 Patienten mit mehr als 300 CD4-Zellen/µl zusätzlich zu einer ART entweder IL-2 oder nicht erhalten. In SILCAAT wurden bei ähnlichem Design insgesamt 1.695 Patienten mit 50-299 CD4-Zellen/µl aufgenommen. Die präsentierten Resultate waren sehr enttäuschend: Obwohl in beiden Studien ein lang anhaltender Effekt auf die CD4-Zellen durch IL-2 zu beobachten war (in ESPRIT im Durchschnitt 160, in SILCAAT immerhin noch 59 CD4-Zellen/µl) schlug sich dies nicht in einem klinischen Benefit nieder. Patienten unter IL-2 hatten trotz der besseren CD4-Zellen nicht weniger opportunistische Infektionen. Auch die Mortalität war nicht reduziert. In ESPRIT war zudem die Rate schwerer unerwünschter Ereignisse durch Interleukin-2 erhöht. Auch in einer weiteren randomisierten Studie (STALWART) wurde ähnliches beobachtet (Tavel 2011). Fazit: Nach SILCAAT, ESPRIT und STALWARTist die Gabe von IL-2 als HIV-Therapie nicht mehr zu vertreten. Dies gilt auch für jene Patienten, bei denen trotz guter Virussuppression die CD4-Zellen niedrig bleiben. Es ist zu befürchten, dass man bei diesen Patienten, die ohnehin nur selten an AIDS erkranken, mit einer nebenwirkungsreichen und teuren Therapie nur Laborkosmetik betreibt.

Interleukin-7 scheint viel versprechender zu sein. Dieses Zytokin spielt eine fundamentale Rolle in der T-Zell-Homöostase und beeinflusst die Bildung und Reifung von CD4-Zellen (Review: Chahroudi 2010). In zwei Pilotstudien an 6 bzw. 16 HIV-Patienten wurden mit verschiedenen subkutanen Dosen gute CD4-Zellanstiege beobachtet. Die Verträglichkeit gut, Interleukin-2 typische Nebenwirkungen traten nicht auf (Levy 2009, Sereti 2009). Wenn sich diese Resultate bestätigen, könnte Interleukin-7 durchaus eine Option für jene Patienten werden, deren Immunrekonstitution trotz guter Virussuppression unter ART mangelhaft bleibt – man darf gespannt sein, wie es nach dem Ende von Interleukin-2 weiter geht.

Interleukin-12 stimuliert T-Lymphozyten und NK-Zellen, und die Substanz scheint in der Lage zu sein, eine Th1-vermittelte Immunantwort zu generieren. In einer randomisierten Phase-I-Studie mit 100 ng/kg 2 x/Woche wurde die Substanz zwar gut vertragen, sie hatte jedoch keinen Effekt auf Lymphozyten-subpopulationen, antigenspezifische Immunantwort oder Viruslast (Jacobson 2002). Eine Weiterentwicklung ist fraglich, dies gilt auch für Interleukin-10 (Angel 2000) oder Interleukin-15 (Ahmad 2005). Im Zeitalter effektiver und gut verträglicher Therapien liegt die Messlatte für experimentelle Therapien immer höher.

Kortikosteroide wurden immer wieder diskutiert. Kontrollierten Studien hielt diese Therapie bislang nicht stand. In einer plazebokontrollierten Studie mit 0,5 mg Prednison/kg über 8 Wochen zeigten sich keine Effekte hinsichtlich CD4-Zellen oder Viruslast (McComsey 2001). In ACTG 349 erhielten 24 Patienten in einem doppelblind randomisierten Design relativ hohe Dosen (40 mg) Prednison pro Tag oder nicht (Wallis 2003). Nach 8 Wochen wurde ein Trend zugunsten höherer CD4-Zellen im Prednison-Arm beobachtet, doch kein Effekt hinsichtlich Aktivierungsmarker oder Apoptose. Zwei Patienten unter Prednison entwickelten eine Hüftkopfnekrose. Spätestens nach dieser Studie sollte man sich den Einsatz von Steroiden aus „immunologischen“ Gründen gut überlegen.

Murabutide ist ein synthetisches Muramyldipeptid mit einer Vielzahl von Effekten auf das Immunsystem. So kann es die unspezifische Resistenz gegenüber Infektionen erhöhen, antiinflammatorische Zytokine und Wachstumsfaktoren induzieren und die antiviralen Effekte von Zytokinen wie IL-2 oder Interferon verstärken. Bei HIV-Patienten ist es vor allem in Frankreich als Immunmodulator eingesetzt worden, allerdings mit allenfalls mäßigem Effekt (Bahr 2003).

Mycophenol (Cellcept®) ist ein Hemmer der Inosinmonophosphat (IMP)-Dehydrogenase und wird sonst zur Prophylaxe von akuten Transplantatabstoßungen sowie bei Autoimmunerkrankungen eingesetzt. Durch die Hemmung der Lymphozyten-Proliferation sollen Zielzellen reduziert und so die HIV-Replikation gehemmt werden. Erste Berichte scheinen einen Effekt auf die Viruslast zumindest in einigen Patienten zu belegen (Margolis 2002, Press 2002). Ob dies randomisierten Studien standhalten wird, ist wohl sehr fraglich (Sankatsing 2004, Margolis 2006).

Remune® als Prototyp einer therapeutischen Impfung erlitt schon vor Jahren Schiffbruch – ein von dem Team um den inzwischen verstorbenen Jonas Salk entwickelter Impfstoff, der aus einem seiner Hüllproteine (gp120) beraubten Virus besteht und tatsächlich eine HIV-Immunantwort induzieren kann, scheint keine klinischen Vorteile zu bringen. Eine Studie wurde im Mai 1999 vorzeitig abgebrochen. Mehr als 2.500 Patienten hatten im Mittel 89 Wochen an dieser Studie teilgenommen, die die zusätzliche Gabe von Remune® zu ART untersuchte. Neben fehlendem klinischen Benefit waren noch nicht einmal Vorteile hinsichtlich CD4-Zellen oder Viruslast nachweisbar (Kahn 2000).

THC, Cannabinoide haben keinen Effekt. Eine randomisierte Studie, in der die Patienten zu einer ART entweder Marihuana rauchten, THC-Tabletten (Dronabinol, Marinol) oder Plazebo erhielten, ergab nach drei Wochen keine Effekte auf Lymphozytensubpopulationen und -funktion (Bredt 2002). Schaden tat THC, das über das Cytochrom p450-System abgebaut wird, allerdings auch nicht, was Viruslast und Plasmaspiegel anging (Abrams 2003). Helfen könnte THC dagegen bei sensibler Polyneuropathie – eine kleine randomisierte Studie zeigte schmerzlindernde Effekte, die denen zugelassener Medikamenten entsprachen (Abrams 2007).

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